Taifun Lekima

Wir haben Lekima gut überstanden. Die einzige Auswirkung, die wir am eigenen Leibe zu spüren bekamen, war, dass die Garten-Kennenlern-Party beim Schulleiter der Deutschen Schule, die für Samstag 18 Uhr geplant war, im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fiel.

„… in Anbetracht der momentanen Wetterlage muss ich die Willkommensparty heute Abend aus Sicherheitsgründen leider absagen. Wie ich aus verschiedenen Stadtteilen gehört habe sind die Straßen dort schon nur noch eingeschränkt befahrbar und auch hier sind schon einige Äste runtergekommen. Da der Taifun Lekima seinen Höhepunkt zwischen 18.00 Uhr und 21.00 Uhr haben wird, wäre es unverantwortlich zu dieser Zeit auf die Straße zu gehen …„

Fußgänger in der Xinsong Road in Shanghai (©www.news.cn)

Volker antwortete darauf, dass es zwar schade sei, wir die Absage aber nachvollziehen könnten. Wie gut, dass wir uns noch nicht in Schale geworfen hatten. So huschten wir im Regen schnell über die Straße in unser kleines Restaurant und haben ein frühes Abendessen zu uns genommen. Rechtzeitig bevor es dann zu stürmen begann, waren wir wieder zu Hause. Weder unser Kater noch wir waren ob des Geheules und Gebläses und ob der Wassermassen zu keiner Zeit beunruhigt. Unser Hochhaus mitsamt uns im 10. Stockwerk war auch nicht am Wackeln. Alles gut soweit.

‚Auto unter‘ in der Xinsong Road, Shanghai (©www.news.cn)

Aber Lekima hat eine Spur der Verwüstung nach sich gezogen. Es war zwar bereits der neunte Taifun in diesem Jahr, aber bislang der mit Abstand der stärkste.[1] Es gab – Stand heute, Mittwoch 14. August 2019 – 48 Tote und 21 Vermisste (Xinhua 2019-08-14).

Die meisten Toten sind im Kreis Yongjia (Provinz Zhejiang) zu beklagen. Dort verursachte ein Erdrutsch, dass sich ein Fluss anstaute und einen künstlichen See bildete. Als der Damm brach, rissen die Wassermassen auch Menschen mit sich fort. Insgesamt waren knapp 13 Mio Bewohner in 9 Provinzen und in der Stadt Shanghai betroffen. Zwei Mio Menschen wurden evakuiert – kann man sich das bei uns vorstellen? – 13.000 Häuser wurden total zerstört, 119.000 beschädigt. Da auch ein Hauptanbaugebiet für Gemüse, Shouguang in der Provinz Shandong, betroffen war, werden nun Engpässe und Preiserhöhungen für Gemüse befürchtet. Die Schäden werden bislang auf über 2.5 Milliarden USD geschätzt.

Shanghai Hongqiao International Airport (©www.news.cn)

Was Shanghai betraf, so fielen hunderte Flüge aus und die Magnetschwebebahn, die zum Flughafen Pudong fährt, stellte den Betrieb ein. Museen, Sehenswürdigkeiten und Parks wurden geschlossen, u.a. erstmalig seit seiner Eröffnung im Jahr 2016 Disneyland. Straßen waren überflutet, ebenso Metrostationen, weshalb auch Teile des öffentlichen Nahverkehrs lahmgelegt waren. Der höchste Wolkenkratzer Chinas, der 632m hohe Shanghai Tower, bewegte sich im Sturm der China Daily zufolge um 50cm, wobei das Gebäude selbstverständlich erdbebensicher gebaut wurde und Schwankungen von bis zu 2 Metern aushält.

Die Polizei veröffentlichte heute eine Warnung, wonach das Fahren ohne Nummernschild eine Geldstrafe und maximale Punkte für Fehlverhalten einbringen würde, was einen Verlust des Führerscheins zur Folge hätte. Die im Zuge von Lekima davongeblasenen Nummernschilder könnten über die Sina Weibo Plattform gesucht oder neue müssten zwingend beantragt werden.

Food Delivery Man, der Arme, Changning Road, Shanghai (©www.news.cn)

Lekima hat sich abgeschwächt und ist gen Norden abgedreht. Mittlerweile bestimmen schon längst wieder die Zustände in Hong Kong die Schlagzeilen. Seit nunmehr 11 Wochen gibt es dort ununterbrochene Protestaktionen. Zuletzt wurde gar der Flughafen besetzt, so dass der Flugbetrieb gestern ganz und heute teilweise eingestellt wurde. Wenn ich an den Hambacher Forst oder an Stuttgart 21 denke, dann weiß ich ganz sicher, dass die Staatsgewalt in Deutschland anders gegen die Demonstranten und Aktivisten vorgegangen wäre. Es bleibt bedrohlich.

Und hier noch eine Quizfrage zum Schluss: wer kennt die Unterschiede zwischen Taifun, Zyklon, Twister, Hurrikan, Tornado und Wirbelsturm? Ich hab auf der Duda.news Kindernachrichten nachgeschaut, denn ich wusste es nicht.
Wirbelsturm ist der Oberbegriff für all das.
Tornado und Twister sind unterschiedliche Namen für die gleiche Art von Sturm: einer rotierenden Luftsäule über Land, die mit einem schweren Gewitter verbunden ist. Tornados können einen Durchmesser von ein paar hundert Metern haben, einige Sekunden bis zu einer halben Stunde dauern und bis zu 500 Stundenkilometer erreichen. Sie kommen vor allem im Landesinneren der USA vor. Oklahoma beispielsweise liegt im Tornado Alley der USA, einem Bereich im Mittleren Westen, in dem besonders viele Tornados herrschen.
Hurrikane, Taifune und Zyklone sind Wirbelstürme, die nicht über Land, sondern über dem Meer entstehen. Verdunstendes Wasser vermischt mit Luft, dazu die Erddrehung bewirken, dass sich die Luft wie in einer Spirale zu drehen beginnt und ein riesiger Wirbel entsteht.
Im Gebiet des Nordatlantiks vorkommende Wirbelstürme werden Hurrikane genannt, die in Asien über dem Pazifik Taifune und über dem Indischen Ozean sind es die Zyklone. Diese Wirbelstürme haben normalerweise einen Durchmesser von mehreren hundert Kilometern und können viele Tage lang mit maximalen Windgeschwindigkeiten von mehr als 200km andauern. Starkregen, Überschwemmungen und Sturmfluten richten oft schwere Schäden an, wie jetzt Taifun Lekima in Japan, Korea und Ostchina.
Auf der Nordhalbkugel der Erde dreht sich der Wirbelsturm entgegen dem Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn, ähnlich wie Wasser, das in einen Abfluss fliesst.
Hättet Ihr’s gewusst? :O)

 

Fotos von Xinhua Net (www.news.cn):

  • Pedestrians walk against heavy rain on Xinsong Road in Shanghai, Aug. 10, 2019 (Xinhua/Liu Ying).
  • Xinsong Road in Shanghai, Aug. 10, 2019 (Xinhua/Liu Ying).
  • Passengers are seen waiting to change flights at Shanghai Hongqiao International Airport in Shanghai, Aug. 10, 2019 (Xinhua/Fang Zhe).
  • A food delivery man rides against heavy rain on Changning Road in Shanghai, Aug. 10, 2019 (Xinhua/Liu Ying).

 

[1] Der stärkste Wirbelwind in Ostchina seit der Aufzeichnung 1949 ist Wanda im Jahr 1956, gefolgt von Saomai (2006) und Lekima (2019).

3 Kommentare

  1. Liebe Francesca, lieber Volker! Wie schön, dass wir mit eurem Blog so bildlich und emotional an eurem spannenden China Aufenthalt teilhaben können! Tolle Erlebnisse habt ihr schon gehabt (auch wenn der Taifun gerne etwas ruhiger hätte sein können…), und es klingt so, als wenn ihr euch trotz Hitze schon gut eingelebt hättet. Bin schon auf den ersten Schulbericht gespannt! Bussilis, Hetti

  2. Hallöchen ihr Lieben! na was macht die Schule und das Leben in Shanghai überhaupt? Ich hoffe es geht euch gut! Schön das mit eurem FERN VON WO, da kann man an eurem Abenteuer a bisserl teilhaben…
    Demnächst kann man mit mir auch Whatsappen, hab von Elfi ihr altes Smartphone bekommen. Ist mir noch etwas sehr ungewohnt, wenn ich das so salopp umschreiben darf. Sebastian wird mir das morgen abend einrichten…
    Vieles verwirrt mich einfach.
    Auf jeden Fall mal ein Herzensgruß aus München. Lasst doch wieder mal was von euch hören.
    Bussibussi

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